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Live-Musik ohne Reizüberflutung: Konzerte für Neurodivergente

Zuletzt aktualisiert:

11.07.2025

Für neurodivergente Menschen, die sensibel auf Reize reagieren, kann ein Konzertbesuch schnell zur Zerreißprobe werden. Laute Bässe, grelles Scheinwerferlicht und dichte Menschenmengen können schnell zur Reizüberflutung führen. Doch immer mehr Veranstalter in Deutschland erkennen diese Bedürfnisse und entwickeln Konzepte, die es ermöglichen, Live-Musik und Theaterstücke in entspannter, reizärmerer Atmosphäre zu genießen.

Was bedeutet Neurodivergenz?

Neurodivergenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene neurologische Entwicklungsvarianten, bei denen das Gehirn Informationen anders aufnimmt, verarbeitet und organisiert, als es bei sogenannten neurotypischen Menschen der Fall ist. Der Begriff entstand in den 1990er-Jahren in der Autismus-Community, um von der Vorstellung einer „Störung“ oder eines „Defizits“ wegzukommen und stattdessen neurobiologische Vielfalt anzuerkennen.

Neben dem Autismus-Spektrum werden damit u. a. ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung), Dyslexie (Leserechtschreibstörung), Dyspraxie (Störungen der Bewegungskoordination) und Tic-Störungen wie das Tourette-Syndrom erfasst, aber auch nichtpathologische Wahrnehmungsweisen wie Synästhesie. Manche beziehen auch Hochsensibilität oder Hochbegabung ein, wobei das wissenschaftlich nicht einheitlich definiert ist.

Diese Bedingungen unterscheiden sich darin, wie Menschen Sinneseindrücke filtern, wie stark sie auf Reize reagieren und welche besonderen Fähigkeiten oder Herausforderungen sich daraus ergeben können. Neurodivergenz ist dabei keine Diagnose selbst, sondern eine Perspektive, die neurologische Unterschiede als natürlichen Teil menschlicher Vielfalt versteht – nicht als etwas, das „geheilt“ werden muss.

Dieses Video hilft dir dabei, dir Neurodivergenz bildlich besser vorzustellen:

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Warum Konzerte für Neurodivergente oft herausfordernd sind

Neurodivergente Menschen nehmen Reize oft anders oder intensiver wahr als neurotypische Personen. Bei Menschen aus dem Autismus-Spektrum ist zum Beispiel die Reizfilterung häufig verändert: Geräusche, die für andere im Hintergrund verschwinden, können plötzlich im Vordergrund stehen. Bei ADHS fällt es vielen schwer, mehrere Reize gleichzeitig auszublenden, was in einer lauten Umgebung schnell überfordern kann. Auch bei Tic-Störungen oder Dyspraxie kann eine ungewohnte Umgebung zusätzlichen Stress auslösen, wenn Bewegungen eingeschränkt sind oder spontane Geräusche auftreten.

Hinzu kommt, dass viele neurodivergente Personen unter einer auditiven Verarbeitungsempfindlichkeit leiden – dazu zählt beispielsweise die Zentrale Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (ZAVWS), bei der das Gehirn Schwierigkeiten hat, relevante akustische Informationen aus Umgebungsgeräuschen herauszufiltern. Ein Konzert mit lauter Musik, wechselnden Lichteffekten und dichten Menschenmengen kann dann zu einer Reizüberflutung führen. Diese Überforderung äußert sich oft in Form von Unruhe, Angst, Rückzug oder sogar körperlichem Unwohlsein.

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Konzertformate für neurodivergente Menschen

Musik kann verbinden, bewegen und befreien. Doch das gelingt nur, wenn sich alle Menschen im Publikum sicher und willkommen fühlen. Für neurodivergente Personen braucht es dafür oft andere Rahmenbedingungen als für neurotypische Konzertbesucherinnen und -besucher. Statt Enge, Lärm und ständiger Reizüberflutung braucht es Zugänglichkeit und Rückzugsräume. Einige Veranstaltende setzen bereits bewusst auf neue Konzepte, die auf sensorische Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen und gleichzeitig Teilhabe ermöglichen.

Ruhebereiche als Rückzugsort

Die Berliner Rapperin Ikkimel hat bei ihren Konzerten spezielle Bereiche eingerichtet, in denen neurodivergente Personen zur Ruhe kommen können. Diese Zonen sind frei von lauten Menschenmengen, Alkohol und Rauch. Wer sensibel auf äußere Reize reagiert, findet dort einen geschützten Rahmen, um Musik zu erleben, ohne sich überfordert zu fühlen. Auch Ski Aggu berücksichtigt diese Bedürfnisse auf seinen Open-Air-Konzerten. Die angekündigten Ruhebereiche schaffen Platz für diejenigen, die mit dem klassischen Konzerterlebnis wenig anfangen können, aber dennoch teilhaben möchten.

Rapperin performt auf einer Konzertbühne, trägt ein pinkes Oberteil und einen Rock mit Katzenmotiv.
Die Rapperin Ikkimel beim Southside Festival 2025

Sofar Sounds: Intime Konzerte in Wohnzimmeratmosphäre

Sofar Sounds veranstaltet weltweit intime Konzerte an ungewöhnlichen Orten – von privaten Wohnzimmern über Ateliers bis hin zu kleinen Hinterhöfen. Auch in Deutschland ist das Format in zahlreichen Städten vertreten, unter anderem in Berlin, Hamburg, Köln, München und Leipzig. Die Konzerte finden im kleinen Rahmen statt, oft mit akustischen Sets und ohne grelle Lichtshow oder viele Menschen. Auch wenn sich Sofar Sounds nicht gezielt an neurodivergente Menschen richtet, kann die entspannte Atmosphäre für viele reizsensible Personen besonders angenehm sein.

Sängerin sitzt auf einem Hocker bei einer Sofar-Sounds-Show.
Olivia O’Brien bei einer intimen Sofar-Sounds-Show in Venice, Kalifornien (2024)

„Konzert für Alle“ des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin

Mit dem Projekt „Konzert für Alle“ öffnet das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin klassische Musik gezielt für Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Die Konzerte sind etwa eine Stunde lang und werden durch eine inklusive Moderation begleitet. Elemente wie Gebärdensprachdolmetschung, visuelle Hilfen und verständlich aufbereitete Informationen machen das Konzert zugänglicher.

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Relaxed Performances: Klassische Musik neu gedacht

Relaxed Performances sind ein inklusives Konzertformat, das in mehreren deutschen Städten angeboten wird. Ursprünglich aus Großbritannien stammend, richten sich diese Veranstaltungen an Menschen mit sensorischen Empfindlichkeiten, kognitiven Einschränkungen oder psychosozialen Belastungen. Häufig handelt es sich um klassische Konzerte, etwa mit Streichquartetten, kleinen Kammerensembles oder Orchestern mit reduziertem Programm. In einigen Häusern werden auch Theaterstücke in entspannter Atmosphäre aufgeführt. Konzertsäle wie die Tonhalle Düsseldorf, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, die Elbphilharmonie Hamburg oder kleinere Häuser in München und Leipzig bieten solche Formate regelmäßig oder projektweise an.

Einen Einblick, wie eine Relaxed Performance abläuft, gibt dieses Video des Theaters Dortmund:

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Wenn die Welt zu Laut wird: Noise-Cancelling-Kopfhörer von Teufel

Portrait von einer Frau vor einem dunklen Hintergrund, die AIRY TWS PRO von Teufel trägt.Im neuen Tab öffnen
Die AIRY TWS PRO: Leistungsstarke In-Ears mit Active Noise Cancelling für optimalen Hörgenuss

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Barrierefreie Festivals mit Rücksicht auf Reizempfindlichkeit

In Deutschland existieren zwar zunehmend inklusive Konzertformate, doch bei Festivals liegt der Fokus primär auf körperlicher Zugänglichkeit, etwa barrierefreien Wegen, Podesten oder Rollstuhlplätzen. Reizregulation, Rückzugsräume oder sensorische Entlastung werden bislang nur vereinzelt mitgedacht. Anders in Großbritannien: Dort gelten barrierearme und neurodivergenzfreundliche Konzepte bereits bei mehreren Festivals als fester Bestandteil. Auch in anderen Ländern Europas zeigen Veranstalter, wie ein achtsames Festivalerlebnis für alle aussehen kann. Drei spannende Beispiele:

  • Electric Umbrella (UK): Electric Umbrella ist ein inklusives Musikprojekt, das gemeinsam mit neurodivergenten Künstlerinnen und Künstlern entwickelt wird. Bei den Veranstaltungen steht die Teilhabe im Mittelpunkt. Es gibt viel Raum für Mitgestaltung, keine lauten Mainstages und oder überfordernde Lichtshows.
  • Rework Festival (Griechenland): Das Reworks FestivalIm neuen Tab öffnen in Thessaloniki ist eines der wenigen Festivals mit elektronischer Musik, das auch bewusst reizärmere Bereiche in sein Konzept integriert. Neben den klassischen DJ-Sets gibt es spezielle Ambient-Bereiche mit ruhigerer Musik, visuell reduzierten Installationen und Rückzugsorten mit gedämpfter Beleuchtung.
  • Flow Festival (Finnland): Das Flow FestivalIm neuen Tab öffnen gilt als Vorreiter in Sachen Awareness und Rücksichtnahme. Die Veranstalter achten gezielt auf ein angenehmes und sicheres Umfeld für alle – dazu gehört auch eine „Better Life Area“, in der es ruhige Sitzgelegenheiten, Schattenplätze und Decken gibt.

Tipp: Musik und spezielle Klänge können von neurodivergenten Menschen auch gezielt zur Reizregulation eingesetzt werden. Walgesänge, Yoga zu sanften Ambient-Sounds oder ein paar Minuten ASMR-Flüstern können den Reizpegel spürbar senken. Auch Meditation per App kann dabei helfen, Stress abzubauen und zur Ruhe zu kommen.