Analoge Synthesizer seien Maschinen zum Verlieben, heißt es gleich am Anfang der Dokumentation I Dream of Wires. Es muss wohl tatsächlich so etwas wie Liebe sein, wenn erwachsene Männer ihre Wohnungen mit klobigen Geräten vollstellen und dafür viele tausend Euros ausgeben. Der kanadischen Filmemacher Robert Fantinatto hat in seiner Dokumentation versucht, diese aus der Zeit gefallene Faszination zu ergründen. Herausgekommen ist ein interessanter und abwechslungsreicher Film über die Geschichte analoger Synthesizer von ihren Anfängen bis heute. Dabei kommen Nerds, Musikpioniere und Stars wie der „Nine Inch Nails“-Frontmann Trent Reznor oder Synthie-Pop-Legende Gary Numan zu Wort. Wer etwas für elektronische Musik übrig hat oder analoge Technik schätzt, sollte sich das nicht entgehen lassen.
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Auf das Thema ist Regisseur Robert Fantinatto erst durch seinen Sohn gekommen. Er selbst hatte zwar während der 1980er-Jahre in einer Synthie-Pop-Band gespielt. Er wusste aber nichts mehr von der Verbreitung analoger Synthesizer im Computer-Zeitalter. Sein Sohn erzählte ihm von dem Trend und zeigte ihm aktuelle Musikprojekte, womit Fantinattos Interesse geweckt war. Er hörte sich um, schrieb Musiker und Produzenten an und stieß auf positive Resonanz. Jason Amm, in der Musikbranche besser bekannt unter dem Namen „Solvent“, erklärte sich bereit, am Film mitzuwirken, Kontakte zu Musikern herzustellen und einen Soundtrack für den Film zu produzieren. Um den Film zu finanzieren, starteten beide eine Crowdfunding-Kampagne auf der Plattform Indiegogo und sammelten so das nötige Geld.
Einer der aktuell erfolgreichsten Musiker, die mit analogen Synthesizern arbeiten, ist der Kanadier Joel Zimmermann, besser bekannt als Deadmau5:
Westküste gegen Ostküste – Aufstieg und Niedergang analoger Synthesizer
I Dream of Wires zeigt, wie ungefähr zur gleichen Zeit an der Ost- und Westküste der Vereinigten Staaten analoge Synthesizer entstanden. Sowohl Robert Moog in New York als auch Donald Buchla in Kalifornien wollten mit Oszillatoren, Verstärkern und Filtern Töne erzeugen und diese gezielt verändern können. Beide leisteten Pionierarbeit, verfolgten aber grundsätzlich unterschiedliche Absichten mit ihren Instrumenten. Moogs hintergründiges Ziel war es, mit seinen Synthesizern Musikinstrumente herzustellen, die auch für professionelle Musiker von Interesse sein können. So entstand die Idee, die Geräte mit einer dem Klavier nachempfundenen Tastatur auszustatten, und es dauerte nicht lange, bis er damit kommerzielle Erfolge feiern konnte. Seinem berühmtesten Instrument, dem Minimoog, haben wir bereits zum 45. Geburtstag einen Beitrag gewidmet.
Donald Buchla stand dagegen der kalifornischen Hippiebewegung nahe und arbeitete mit Avantgarde-Musikern zusammen. Sie wollten mit der neuen Technik auch neue Musik machen. Größere Verbreitung fanden seine Synthesizer nicht. Das bedeutet aber nicht, dass diese keine Rolle bei der Entwicklung zeitgenössischer Musik gespielt haben. Morton Subotnick schuf 1967 mit einem Buchla-Synthesizer eines der ersten elektronischen Musikalben überhaupt. Die Klänge sind allerdings auch heute noch gewöhnungsbedürftig:
In den 1970er-Jahren erreichten analoge Synthie-Klänge den Mainstream und hatten großen Einfluss auf Disco, New Wave, Elektro und andere stilprägende Musikrichtungen. Es entstanden größere modulare Synthesizer, die eine enorme Bandbreite an Tönen erzeugen konnten. Allerdings blieben die Geräte für die Masse unerschwinglich und zudem unpraktisch. In den 1980er-Jahren kamen die ersten digitalen Synthesizer wie der Yamaha DX 7 auf den Markt. Wegen der großen praktischen Vorteile verdrängten sie schnell die analogen modularen Instrumente. Die wurden meist eingelagert oder gleich weggeworfen. Mit dem Aufkommen von PCs war das Ende der analogen Technik scheinbar vollends besiegelt. Schließlich kann ein herkömmlicher Computer heute mit den entsprechenden Programmen alle erdenklichen Töne hervorbringen.
Das Comeback analoger Synthesizer
In den vergangen Jahren nahm eine erstaunliche Entwicklung Fahrt auf. Trotz aller objektiven Nachteile brachten kleine Hersteller zunehmend wieder analoge Synthesizer auf den Markt, die auch in kürzester Zeit Abnehmer fanden. Es entstand eine kleine, aber lebhafte Szene, der ältere Jahrgänge ebenso angehören wie jüngere. Warum das so ist, lässt sich wohl nicht mit wenigen Sätzen erklären. Aber wahrscheinlich hat es mit der gleichen Faszination zu tun, die auch von Vinyl-Platten und analoger Fotografie ausgeht. Für manche ist analog eben doch besser.
Wer der Faszination analoger Synthesizer nachspüren will, kann den Film entweder für eine begrenzte Zeit on-demand streamen oder als Download sowie auf DVD kaufen. Nähere Informationen gibt es auf der Homepage von I Dream Of Wires.
Titelbild: ©GeschnittenBrot Bestimmte Rechte vorbehalten. Quelle: Flickr.com
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