Wütender Punk, sanfter Poet, melancholischer Geschichtenerzähler: Rio Reiser hat in seinem bewegten Leben viele Töne angeschlagen. Seine Lieder waren aufrührerisch, berührend, kunstvoll. Sein Werdegang war aufrecht, unbeugsam, visionär. Seine Texte und seine Unangepasstheit faszinieren und inspirieren bis heute. Wir blicken auf sein Lebenswerk.
Auf dem Weg zurück nach Berlin
Manche Musiker prägen eine ganze Generation – Rio Reiser tat noch mehr: Er schuf Musik, die über Generationen hinweg bleibt. Seine Stimme sang nicht nur Lieder, sondern schrie Gefühle. Mit einigen der bissigsten und gefühlvollsten deutschen Songtexte begeisterte er in West und Ost. Vom politischen Punk ausgehend entwickelte er sich zu einem der bedeutendsten Musiker Deutschlands.
Geboren 1950 als Ralph Christian Möbius in Berlin, wuchs er an verschiedenen Orten in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen auf. Schon früh zeigte sich seine künstlerische Begabung, er interessierte sich nicht nur für Musik, sondern auch für Literatur und Theater. Den Künstlernamen „Reiser“ wählte er nach Anton Reiser, einem Bildungsroman aus dem 18. Jahrhundert. Nach Schule und Ausbildung, die er beide abbrach, zog es ihn zurück nach Berlin, wo er die Musikszene der Stadt aufmischte.
1966 traf er Ralph Peter Steitz, später bekannt als R. P. S. Lanrue. Die beiden gingen 1967 nach West-Berlin, zunächst um der Wehrpflicht zu entkommen. Drei Jahre danach gründeten sie die Band Ton Steine Scherben.
Keine Macht für Niemand – die Ton-Steine-Scherben-Zeit
Mit den „Scherben“ brachte Rio Reiser in den 1970ern die Sehnsüchte und die Wut einer ganzen Generation auf die Bühne. „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ wurde zum Kampflied der linken Protestbewegung und der „Rauch-Haus-Song“ zur Hymne der Berliner Hausbesetzerszene. Die Musik, politisierter Rock mit deutschen Texten, war laut, roh, ehrlich – und als frühe Form des Punk ein Aufschrei gegen soziale Ungerechtigkeit. Doch es ging nicht nur um Protest, sondern auch um Hoffnung, Liebe und eine bessere Welt.
Berlin war in dieser Zeit der kreative Nährboden für Reiser und seine Band. Sie lebten in gemeinschaftlich besetzten Häusern, spielten auf Demonstrationen und verkörperten den Geist der linksalternativen Szene. Neben sehr politischen Songs wie „Keine Macht für Niemand“ oder „Der Traum ist aus“ schrieb er auch tief bewegende Lieder wie „Halt dich an deiner Liebe fest“, das bis heute als einer der ergreifendsten Songs über Verlust und Hoffnung gilt.
Noch Mitte der 1970er zog sich die Band ins nordfriesische Fresenhagen zurück, wo Reiser ein eigenes Tonstudio aufbaute. Auch musikalisch wendete man sich ab vom Polit-Punk. Nach vielerorts ausverkauften, aber insgesamt finanziell desaströsen Touren lösten sich Ton Steine Scherben schließlich 1985 auf.
Tipps: Wie klingt Berlin? Die Playlist „Sound of Berlin“ fängt Geschichte und Gegenwart der Stadt ein. Die Doku B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979–1989 gibt zudem Einblicke in die Berliner Musikszene der 1980er.
König von Deutschland – Rio solo
Für Reiser begann nun seine Solokarriere – und damit eine neue Ära. Für sein erstes Soloalbum Rio I. (1986) griff er auf etliche Scherben-Demos zurück, darunter „Alles Lüge“ und „Junimond“. Dass Rio Reiser einen Vertrag bei der Plattenfirma CBS unterschrieben hatte, sorgte für Unmut bei antikommerziellen Scherben-Fans, verhalf ihm aber zu einem neuen, sehr viel breiteren Publikum – und nicht zuletzt zu dringend nötigen Einnahmen.
Der große Erfolg kam für Rio Reiser direkt 1986 mit dem Hit „König von Deutschland“. Das mit scharfer Zunge und viel Augenzwinkern vorgetragene Lied war eine kritische Satire der Gesellschaft und Popkultur der 1980er Jahre. Schon zehn Jahre zuvor hatte er es mit anderem Text auf Scherben-Konzerten gesungen. Nun wurde er selbst zum „König“. Daneben bewies er mit Balladen wie „Junimond“ oder „Für immer und dich“ lyrisch-emotionale Tiefe und drang so in die Herzen seiner Zuhörer vor. Auch viele seiner späteren Lieder handeln von Liebe und Sehnsucht – universelle Themen, die bis heute berühren.
Reisers vielseitige Musik war auch Ausdruck seiner eigenen Identität. In einer Zeit, in der gleichgeschlechtliche Liebe noch stark tabuisiert war, begann er, offen über seine Homosexualität zu sprechen. Er widersetzte sich sowohl Versuchen politischer Vereinnahmung als auch Erwartungen des Publikums. Dem öffentlichen Ruhm stand er kritisch gegenüber, wenngleich er ihn auch für sein gesellschaftspolitisches Engagement zu nutzen verstand. Reisers Wohn- und Rückzugsort blieb bis zu seinem Lebensende in Fresenhagen.
Deine Liebe, dein Sound von Teufel
1988 trat Rio Reiser in Ost-Berlin auf. Gerade weil viele seiner Lieder politisch brisant waren, fanden sie auch dort ein begeistertes Publikum. Besonders seine Texte über Freiheit, soziale Gerechtigkeit und persönliche Sehnsüchte trafen den Nerv vieler ostdeutscher Fans, die sich nach Veränderung sehnten. Ein besonderer Song, den Reiser 1988 sang, war „Zauberland“.
Die Konzerte in der Werner-Seelenbinder-Halle schlugen eine musikalische Brücke zwischen Ost und West. Und das auch personell: Lutz Kerschowski, der vor Reiser auftrat, wurde später Gitarrist in Rio Reisers Band und verwaltet heute dessen musikalischen Nachlass.
Weiter durch das All – die letzten Jahre
Nach 1990 litt Reiser zunehmend an gesundheitlichen Problemen, weshalb es auch zu Konzertabsagen kam. Seine drei Nachwendealben spiegeln die zahlreichen Facetten des Künstlers Rio Reiser: Von hartem Rock über ruhige Balladen und Folk bis zu Electro-Pop reicht die musikalische Spannbreite. Textlich wandte er sich mehr und mehr introspektiven Themen zu und reflektierte dabei auch seine persönliche Lebenssituation, etwa in Songs wie „Für dich“, „Du bist es“ oder „Hoffnung“.
Rio Reiser starb 1996 mit nur 46 Jahren. Seine Musik jedoch lebt weiter und ist auch heute noch aktuell, seine Texte treffen und berühren Menschen noch immer. Als Künstler zeigte er, dass Musik mehr sein kann als nur Klang und Unterhaltung – sie kann eine Waffe sein, ein Trost, eine Hoffnung. Als Mensch bewies er Aufrichtigkeit und Mut, zu sich selbst zu stehen, zu seinen Idealen wie zu seinen Sorgen. Seine Lieder erinnern daran, dass es sich lohnt, für seine Überzeugungen zu kämpfen, zu träumen und niemals still zu bleiben.
Höre Rio Reiser in Stereo

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Erinnern an Rio
Rio Reiser wurde nach seinem Tod durch u. a. durch diese Konzerte und Gedenkorte gewürdigt:

- Am 1. September 1996 spielten Ton Steine Scherben, die Einstürzenden Neubauten, Engerling, Keimzeit, Herbert Grönemeyer und andere im Berliner Tempodrom zum Gedenken an Reiser. Das Konzert wurde unter dem Titel Abschied von Rio veröffentlicht.
- Reisers Wohnhaus in Fresenhagen war bis 2011 als „Rio-Reiser-Haus“ ein Ort für Kulturschaffende.
- 2011 verlegte man Rio Reisers Grab von Fresenhagen auf den Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg. 2021 wurde es zum Ehrengrab der Stadt Berlin.
- In Berlin-Kreuzberg erinnern an den Künstler eine Gedenktafel (Tempelhofer Ufer 32, nahe des Deutschen Technikmuseums) und der Rio-Reiser-PlatzIm neuen Tab öffnen (an der Oranienstraße).
- Zu Rios 75. Geburtstag am 9. Januar 2025 gab es mehrere Veranstaltungen, z. B. eine Musikrevue in der Berliner Volksbühne. Aktuell gibt es auch wieder eine Tour von Ton-Steine-Schreben-Mitgliedern (Daten hierIm neuen Tab öffnen).