Gustavo Santaolalla wurde 1951 in der Peripherie von Buenos Aires geboren und ist in Argentinien aufgewachsen. Nach seinen ersten Erfolgen mit seiner dortigen Band Arco Iris, welche zu den argentinischen Nationalrock-Pionieren gehört, wanderte er Ende der 1970er Jahre in die USA aus. Zu seinen zahlreichen Arbeiten als Komponist, Produzent und Musiker gehören unter anderem Kooperationen mit Juanes, Cafe Tacvba und der mexikanischen Band Molotov.
Für Juanes und Cafe Tacvba erhielt er dann auch 2001 und 2003 den Latin Grammy als Produzent.
Ebenfalls betätigte er sich zu dieser Zeit immer mehr im Film- und Game-Business und verzeichnete seine größten Erfolge in der Filmindustrie als Produzent der Soundtracks für Babel und Brokeback Mountain. Für beide Kompositionen erhielt er den Oscar als bester Soundtrack im Jahr 2006 und 2007.
In der Game-Industrie wurde er bekannt für den Soundtrack von The Last of Us und The Last Of Us 2. Aufgrund seines 70. Geburtstags wollten wir die Gunst der Stunde nutzen und diesen Ausnahmemusiker und Produzenten vorstellen und freuen uns besonders darüber, dass er sich auch ein paar Minuten für uns persönlich Zeit genommen hat, um mit uns über seine Projekte, sein Arbeiten und ein wenig über Berlin zu plaudern.
Gustavo Santaolalla über Arbeitsmoral und seine Vision
Teufel Blog: Als international erfolgreicher Produzent und Künstler kannst du zu deinem Geburtstag auf zahlreiche musikalische Projekte zurückblicken. Hast du dir, als du 20 Jahre alt warst, vorgestellt, dass sich alles so entwickeln würde?
Gustavo: Nein, denn ich hatte keine so klare Vorstellung von der Zukunft, sondern immer das Gefühl, dass ich viele Menschen ansprechen würde und ich würde lügen, wenn ich das verneinte. Vielleicht war es dieses Gefühl, was mich so entschlossen meine Vision verfolgen ließ.
Ich bin ein großer Verfechter der Disziplin und glaube fest an eine Arbeitsethik. Ich gehöre zu den Menschen, die sagen, dass es 80 % Transpiration und 20 % Inspiration sind. Ich glaube sehr stark an Arbeit und nicht daran, dass die Glühbirne über dem Kopf anspringt, während man in einem Sessel sitzt und darauf wartet. Das ist von grundlegender Bedeutung. Wenn du nicht die Disziplin hast zu arbeiten, ist es unmöglich, etwas zu tun.
Der zweite sehr wichtige Punkt ist, dass du deine eigene Stimme findest. Wer willst du sein? Was ist in dem, was du tust, sei es Musik, Tanz, oder sei es, weil du Restaurantbesitzer oder Möbelbauer bist. Was ist das, was dich in dem, was du tust, identifiziert und was anders ist als das, was andere bereits machen? Finde deine Stimme. Deine Identität.
Wenn man das gefunden hat und die nötige Arbeitsdisziplin besitzt, muss man drittens konsequent an dieser Vision festhalten. Denn oft, wenn man mit etwas anfängt, passiert es, dass man sich verliert.
Wenn du ein Niemand bist und dich abmühst, und wenn du jemand bist, der bereits in einer Sache gut etabliert ist, bieten sich dir aus verschiedenen Gründen Möglichkeiten, die dich von deinem Weg abbringen können. Von deinem Sound, was du denkst, was du tun solltest und wie. Das ist, als würde man falsch von der Autobahn abfahren. Du musst dann zurückfahren, um die richtige Auffahrt wieder zu finden. Man findet sie sofort oder es dauert länger, aber man kommt immer zu spät an.
Ich weiß, wie es ist, wenn man im Musikbusiness anfängt, sich abmüht und Geld verdienen muss. Dann wird einem etwas anderes angeboten und man sagt sich: „Na ja, jetzt mache ich erst das und dann mein Ding“, – aber ich habe das nie getan. Ich bin meiner Vision immer treu geblieben und habe sie verwirklicht. Aber ich hatte, um auf deine Frage zurückzukommen, schon als Kind das Gefühl, dass ich etwas tun würde, dass viele Menschen verbindet.
Wie war die Arbeit am Soundtrack zu The Last of Us?
Teufel Blog: Als Fans der Spieleserie The Last of Us waren wir erstaunt über die Schönheit der Einfachheit im Soundtrack. Kann man hier von „einfach“ sprechen, wo du so viele andere Instrumente wie das Ronroco und das Banjo frei verwendet hast?
Gustavo: Ja, aber in der Einfachheit liegt auch Komplexität. Es ist dasselbe, wie wenn ich über den Einsatz von Stille spreche. Es ist ein beredtes Schweigen. Es ist keine Stille, in der es nichts oder bei der es keine Musik gibt. Vielmehr ist es Musik auf eine andere Art und Weise. Irgendwie denke ich manchmal, dass das Spielen einfacher sein kann. Einfach üben. Gut, man kann auch schnell spielen üben. Aber nicht zu spielen ist manchmal schwieriger als zu spielen.
Es geht darum, dass diese Stille dann auch eine Aussage hat, denn es ist keine Stille, wie wenn ein Stück zu Ende geht, sondern es ist eine Stille, die weiterführt. Es ist wie ein Schweben in der Luft, darauf wartend, dass die nächste Note einsetzt, um das Bild zu vollenden. Wie lange hält die Stille an? Wo und wann genau setze ich sie ein? All das sind Mittel, die ich häufig komplett intuitiv bei meiner Musik einsetze.
Ich weiß nicht, wie man Noten liest oder schreibt. Viele der Dinge, die ich heute über Musik artikulieren und erklären kann, habe ich erst nach vielen Jahren verstanden. Weil ich sie gemacht habe, ohne genau zu wissen, worum es dabei geht.
Lesetipp: Santaolallas Kompositionen sind auch in der The Last of Us-Filmserie zu hören.
Über den Soundtrack zu Brokeback Mountain
Gustavo: Ich erinnere mich gerne daran, dass ich die Musik für Brokeback Mountain gemacht habe, ehe nur eine Szene gefilmt wurde. Der Produzent stimmte dem zu, weil der negative Raum, den ich kreiere, wirklich genutzt wird. Was für eine großartige, Stille zu interpretieren. Ich habe es geliebt. Aber ich habe eine Weile gebraucht, bis ich all das verstand und kommunizieren konnte.
Zum Beispiel das Thema Identität. Jetzt kann ich darüber sprechen, dass die Identität etwas ist, was mich seit meiner Jugend begleitet hat. Die Suche nach Identität an sich. Deshalb haben wir mit Arco Iris, meiner ersten Band, argentinische und lateinamerikanische Folklore mit Rock und all dem verschmolzen, was die damalige „Rockintelligenz“ verächtlich mit dem Satz „das ist kein Rock“ kommentiert hatte. Später haben die Leute unsere Musik gemocht.
Teufel Blog: Wenn wir über die Erstellung des Soundtracks für das Videospiel sprechen, gab es da ein Drehbuch oder war das Videospiel schon halb fertig? Wie war der Prozess im Vergleich zu anderen Produktionen?
Gustavo: Ja, mit einem Drehbuch. Ähnlich wie bei Brokeback Mountain. Ich habe die Musik nur mit dem Drehbuch und nach Gesprächen mit Ang Lee komponiert.
Teufel Blog: Es ist also ein ähnlicher Prozess wie bei der Filmproduktion?
Gustavo: Genau. Beim Videospiel dauert das Rendern lange. Jede Sekunde kostet viel Geld. Bis man sich mit den Entscheidungen sicher ist, dauert es. Am ersten Teil von The Last of Us habe ich 3 Jahre gearbeitet, an dem zweiten ebenso.
Bei Neil Druckmann war es übrigens so, dass viele der Musikstücke, die ich ihm gab, ihn dazu inspirierten, neue Teile des Spiels zu schreiben. Also sagte er zu der Musik, die er bekam: „Hey, ich habe mir diese Musik angehört und dann habe ich mir diese neue Szene dazu ausgedacht.“ Innovation hat fast immer einen Anteil an Unerfahrenheit.
Teufel Blog: Also ein beidseitiger kreativer Prozess?
Gustavo: Korrekt. Da gibt es aber noch etwas, was auch Teil meiner Geschichte, meiner Arbeitsweise und meiner Vision von allem ist, das mit einigen Konzepten zu tun hat: Ich schätze Erfahrung sehr, denn durch sie erhält man viel Wissen. Ich habe einen langen Weg hinter mir. Stell dir vor, ich bin nun 70. Aber ich glaube nicht nur an die Früchte der Erfahrung, sondern auch an die der Unerfahrenheit. Deshalb arbeite ich gerne mit jungen Menschen zusammen. Unerfahrenheit führt zu neuen Wegen. Innovation hat fast immer einen Anteil an Unerfahrenheit.
Ich liebe es zum Beispiel, Instrumente zu spielen, von denen ich nicht weiß, wie sie funktionieren. Heute würde ich sagen, dass Gitarre und Ronroco meine Hauptinstrumente sind, aber all die anderen Instrumente, die ich spiele, sind nicht “meine”. Zum Beispiel die Oud, die beim Soundtrack zu Babel zum Einsatz kam, oder aber auch das Banjo: Da ich nicht weiß, wie man diese Instrumente spielt, zwingen sie mich gewissermaßen dazu, minimalistisch zu sein. Ich kann da nicht einfach rausgehen und etwas spielen, wie ich es mit der Gitarre könnte.
Die „Fehler“ und die daraus resultierenden Geräusche sind alles Dinge, die ich nutze und einbaue. Das Irren als Erfolg, nicht als Fehler, sondern als versteckte Absicht. Als etwas, das man nicht erwartete. Deshalb achte ich darauf.
Teufel Blog: Die Fehler tragen auch viel zur Atmosphäre des Films oder zum Songs selbst bei – natürlich kann manchmal ein ungewollter Ton die Thematik völlig verändern
Gustavo: Exakt. Als ich zum Beispiel 1978 in die Vereinigten Staaten kam, verteilte ich Kassetten mit meiner Musik, und niemand antwortete mir. Nur eine Person hatte mir geantwortet. Ich lernte ihn kennen, und er war Direktor eines Verlags und Leiter eines Plattenlabels. Ich habe mit ihm geredet, ihm meine Songs vorgespielt und wir haben uns meine Band angehört. Und der Typ sagte damals zu mir: „Hör mal, ich liebe deine Stimme und deine Lieder aber in deinen Songs scheinst du plötzlich den falschen Akkord zu spielen – es fängt gut an und plötzlich triffst du den falschen Ton.“
Also sagte ich zu ihm: „Hören Sie, ich bin sicher, das wird dazu führen, dass wir nicht zusammenarbeiten werden, aber ich möchte Ihnen sagen, dass das ein Kompliment für mich ist. Denn ich suche nach genau nach diesem Wendepunkt. Ich suche nach diesem Ungleichgewicht in meiner Musik“
Ich habe diese Story über viele Jahre immer erzählt. Du wirst es in meiner ganzen Musik hören- es gibt immer diese Dissonanz, diese Sache, die nicht ganz zu passen scheint. Dreißig Jahre später, bei einer Hommage an Neil Young, bin ich mit einem anderen Kerl aus der Branche zusammen und er sagt zu mir: „Komm her, ich möchte dir jemanden aus der Branche vorstellen.“
Und diese Person, von der ich dir erzähle, verwaltet den Verlag von Tom Waits. Und mit meiner derzeitigen Band Bajofondo, wollten wir etwas mit Tom Waits machen, also hatte jemand schon mit ihm kommuniziert, wegen Bajofondo und er hatte meinen Namen erwähnt. Also, als er mir vorgestellt wurde, „hallo“, sagte er zu mir: „Ah, ja, Gustavo, der Typ von der Oscar-Verleihung, ja, ich weiß von Bajofondo“.
„Nein“,sage ich zu ihm, „du erinnerst dich nicht, aber wir trafen uns damals in deinem Büro und du hast mir einmal etwas gesagt, das mich all die Jahre begleitet hat. Du hast mir gesagt, wenn ich ein Musikstück mache, treffe ich in einem Moment die falsche Note, den falschen Akkord. Und jetzt scheint es den Leuten zu gefallen.“
Der Typ war begeistert, weil ich ihm nie etwas übel genommen habe. Im Gegenteil, ich war ihm gegenüber nie feindselig eingestellt. Was der Mann mir erzählte, war nützlich für mich, und ich hatte immer ein gutes Gefühl bei ihm. Es war also nicht so, dass ich ihm über den Weg gelaufen bin und gesagt habe: „Dieser Mistkerl“, nein, nein – ganz im Gegenteil.
Die Sache ist die: Als die Show vorbei war und alle Leute gingen, kam er extra nochmal mit seiner Frau vorbei um mich vorzustellen. Seine Frau sagte dann zu mir: „Er hat die ganze Nacht über diese Anekdote geredet“.
Ich habe also diese Eigenheit; ich meine, falls ich ein Buch schreiben werde, wird es wahrscheinlich „Die Suche nach der falschen Note“ heißen. Aber was ist der falsche Ton und was ist der richtige Ton? Die „richtigste“ Ton?
Teufel Blog: Aber seien wir ehrlich, wenn wir linear vorgehen, also der Oktave entlang, ist es ein bisschen langweilig und man muss sich von der Masse auch abheben oder?
Gustavo: Ganz genau.
Café Tacvba ist für mich eine Band vom Kaliber von Radiohead
Teufel Blog: Wenn du dich in die Rolle eines Fans zu versetzt – wenn du z.B. Besuch hast, der nichts über lateinamerikanische Musik weiß und keine Band kennt. Welche Band würdest du zeigen bzw. vorspielen?
Gustavo: Zunächst einmal müsste ich mehrere Dinge zeigen, da das Spektrum zu weit ist. Aber wenn ich eine Band zeigen müsste wäre dies Café Tacvba – kein Zweifel. Café Tacvba ist für mich eine Band vom Kaliber von Radiohead oder Beck oder Talking Heads.
Teufel Blog: Bleibt dir überhaupt noch Zeit um Musik in deiner Freizeit zu genießen?
Gustavo: Leider Nein. Ich habe nicht viel Zeit, um Musik zu hören, das tut mir auch sehr leid. Aber ich schaffe es trotzdem irgendwie manchmal, und dann versuche ich mir auch Notizen zu machen, weil ich natürlich daran interessiert bin zu wissen, was die Leute hören. Andererseits höre ich auch gerne, was die Leute nicht hören. Weil es komplexere Musik ist. Man muss suchen und finden. Deshalb verlasse ich mich sehr auf Freunde, die mir Musik empfehlen. Neulich hatte ich die Gelegenheit, einen Regisseur zu treffen, der einen sehr interessanten Film mit dem Titel „the reach of resonance“ gedreht hat, in dem viele unbekannte, faszinierende Musiker auftreten. Und das sind Wege, die ich gehen muss, vielleicht ungewöhnliche Wege, um an andere Musik zu kommen. Aber ich versuche immer, neue Musik zu hören, weil ich sie brauche. Von Zeit zu Zeit lege ich natürlich auch eine Pause ein um neue Kraft zu tanken. Ob man es glaubt oder nicht aber über die Pandemie hinweg arbeitete ich sehr viel und habe viele Projekte gleichzeitig gehabt. Das war schon immer so aber durch die Pandemie hat sich das für mich verstärkt. Denn es ging darum, extrem viele Inhalte zu generieren, weil die Leute alle zu Hause saßen und Filme und Serien sahen. Ganz gleich ob Netlix, Amazon oder Kino.
Teufel Blog: Du hast also während der Pandemie mehr gearbeitet als sonst?
Gustavo: Ja. Eine Menge Arbeit. Gerade jetzt, nach all dieser Zeit, werde ich einige Termine mit dem Symphonieorchester in Spanien wahrnehmen. In Madrid, Malaga und Asturien.
Teufel Blog: Wir freuen uns auch deine neuen Projekte mit Bajofondo. Die Zusammenarbeit mit Natalia Oreiro im Song „Listo pa´ bailar“ auf Russisch zum Beispiel, hat uns sehr gut gefallen.
Gustavo: Wie cool! Natalia ist in Russland sehr beliebt is und wir haben fast überall auf der Welt gespielt. Ich sage nicht überall auf der Welt, aber wir haben z.B. in Afrika, in China, in Japan, in Korea, Europa und Indonesien gespielt, aber und wir waren nie in Russland. Aber wir wissen um die Anerkennung der Musik, denn die russische olympische Gymnastikmannschaft, die russische Frauengymnastikmannschaft, die Superstars dort, haben die Musik von Bajofondo für ihre Küren gewählt. Ich meine, sie haben es vor ein paar Jahren bei den Olympischen Spielen eingesetzt, und sie haben es in ihre Live-Auftritte eingebaut.
Natalia ist mit einem sehr guten Freund von mir verheiratet, dem Gitarristen der Band „Divididos“. Es gibt im Übrigen zwei Videos von dem Song. Ich empfehle beide. Die eine ist wie die Zoom-Konferenzen, aber auf die Spitze getrieben, und die andere ist eine Animation.
Teufel Blog: Um noch einmal auf die Frage zurückzukommen, wie du privat Musik hörst: Hast Du eine Lieblingsmusikanlage, oder nutzt du eher Kopfhörer oder hast du vielleicht ein Musik-Zimmer?
Gustavo: Kennst du das Sprichwort „Im Haus des Schmieds gibt es nur Besteck aus Holz“? Ich bin da eher spartanisch. Aber ich habe auch ein großartiges Heimkino-System (von Bowers und Wilkins) mit Beamer. Wenn ich die Zeit habe nutze ich dieses dann.
Ich mag den Geist Berlins, der einfach anders ist.
Teufel Blog: Warst du bereits in Deutschland und wie stehst du zu Berlin?
Gustavo: Ich habe eine Schwäche für Deutschland. Auch weil ich in einer kleinen Stadt am Rande von Buenos Aires aufgewachsen bin, die von Deutschen gegründet wurde. Ich bin sogar in der „Gartenstadtschule“ zur Schule gegangen. Daher verstehe ich noch ein bisschen und kann auch Deutsch lesen. Ich bin mit deutschen Freunden aufgewachsen und viele meiner Klassenkameraden hatten deutsche Nachnamen. Wir haben damals sogar das Sportabzeichen gemacht. Ich war natürlich auch schon viele Male in Berlin. Eine tolle Stadt.
Teufel Blog: Hast du einen Lieblingsort in Berlin?
Gustavo: Nicht so sehr. Ich liebe all die künstlerischen Bezirke. Die ehemaligen Grenzbereiche, in die man früher nicht gehen konnte. Die Wahrheit ist, dass ich sie alle mag. Ich mag den Geist Berlins, der einfach anders ist. Ich bin durch ganz Deutschland gereist und habe quasi in allen großen Städten gespielt, aber Berlin ist da nun mal nochmal anders als der Rest von Deutschland und ich mag die Vielfalt. Es ist ein großartiger Ort für Künstler, also eine Stadt, die Künstler beherbergt. Und das gefällt mir.
Ich würde auch gerne einmal wieder ein Projekt in Deutschland machen. Ich habe noch sehr wenig in dieser Hinsicht gemacht. Vor Jahren habe ich einen Film mit Joseph Vilsmaier gedreht, „Nanga Parbat“, aber danach nichts mehr und es ist ein Land, das mich immer sehr angezogen hat. Berlin ist einer der Orte, wo ich gerne auch eine zeitlang leben würde. Ich hoffe, dass ich das irgendwann tun kann. Aber nicht im Winter. Dann ist es zu kalt hier.
Mein Lieblingsort in Buenos Aires
Teufel Blog: Apropos Hauptstadt – hast du einen Lieblingsort oder eine Lieblingsbar in Buenos Aires?
Gustavo: Ja, „la catedral“ – Mein Lieblingsort in Buenos Aires, und ich würde sagen, in der ganzen Welt.
Musik ist für mich eine Art, das Leben zu lesen
Teufel Blog: Was ist Musik für dich?
Gustavo: Musik ist eine Lesart der Welt. Eine Art, das Leben zu lesen, weil ich in allem Musik finde. Es ist also wie ein Filter oder eine Linse oder eine Art, das Leben zu betrachten. Man kann das Leben von einem fotografischen Standpunkt aus betrachten, man kann es mit einem Newtonschen Verständnis aus betrachten oder auch mit einem Quantenverständnis betrachten. Es sind verschiedene Arten, dieselbe Sache zu betrachten.
Musik ist für mich eine Art, das Leben zu lesen. Ich finde, dass Musik in allem Leben ist. Ausgehend von der Quantenphysik, die mich fasziniert und sehr interessiert, wissen wir ja, dass alles eine Frequenz hat. Alles sind Frequenzen, alles ist Frequenz. Das ist es also, was Musik ist. Meiner Meinung nach kann alles mehr oder weniger auf musikalische Art und Weise gesehen und gelesen werden.
Teufel Blog: Lieber Gustavo, wir danken dir für das exklusive Interview und die tollen Einblicke!
Linktipp: Gustavo Santaolalla auf Wikipedia
Titelbild: Gustavo Santaolalla: © 2016 Courtesy Everett Collection, Imago, CC BY SA 4.0
Bild 1: Nahat Oud, 2018, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Oud2.jpg / CC BY SA 4.0