Woher kommst du wirklich? — Minh-Khai Phan-Thi über ihren Podcast anderssein

Seit 2020 ist Minh-Khai Phan-Thi Gastgeberin des von ihr selbst initiierten und mittlerweile sehr beliebten Podcast anderssein. Die Wahlberlinerin, TV-Moderatorin, Schauspielerin & Drehbuchautorin spricht mit kreativen Individualisten über die Ambivalenz des Andersseins. Als Co-Sponsor supporten wir vier zusätzliche Folgen der aktuellen Staffel, die den Fokus auf Menschen mit starkem Berlin-Bezug setzen. In unserem Blog-Interview sprechen wir mit Minh-Khai über dieses sehr persönliche Format.  

Die Bühne in die Wiege gelegt

Im Alter von nur drei Jahren stand Minh-Khai Phan-Thi das erste Mal auf der Bühne. Anlässlich des vietnamesischen Neujahrsfestes (Tét-Fest), das in seiner Dimensionierung vergleichbar ist mit dem Karneval in Rio, gab sie mit ihrem Dad ein Kinderlied zum Besten. Das Anderssein begleitet die in Deutschland geborene und aufgewachsene Medienbotschafterin mit vietnamesischen Wurzeln von Beginn an. Wie viele andere stößt auch Minh-Khai immer wieder auf die Nebeneffekte plakativer Meinungen, kultureller Symbolismen und stereotyper Vorstellungen im Alltags- und Berufsleben. In ihrem Podcast anderssein geht es Minh-Khai darum, wie das Phänomen des Unterschiedes von anderen Menschen erfahren und in unserer Gesellschaft gelebt wird.

Ähnlich und anders — die Idee zum Podcast

Teufel Blog: Vor allem Menschen aus der BIPoC und LGBTQIA* Community teilen bei anderssein ihre Erfahrungen, Gefühle und Ansichten mit uns. Auf der Homepage heißt es, der Podcast sei nicht ein, sondern dein Format. Was steckt hinter dieser starken Aussage?

Minh-Khai: Ich hatte die Idee zu diesem Podcast 2016/2017. In dieser Zeit wurde Trump zum Präsidenten gewählt und die AfD zog zum ersten Mal in den Bundestag ein. Ich wollte etwas „tun“; ein Zeichen setzen und mit Menschen sprechen, die vermeintlich — so wie ich — „anders“ sind. Mir war es wichtig, dass unsere Geschichten erzählt und wir dadurch sichtbar werden. Deshalb betone ich auch, dass ich keine Interviews, sondern Gespräche führe. Ich bin keine Journalistin und schon gar keine Rassismusexpertin, sondern selbst „Betroffene“. Dadurch öffnen sich meine Gäst*innen wahrscheinlich auch anders, denn es sitzen sich zwei Menschen gegenüber, die Ähnliches erlebt haben.

Bei der Aufzeichung eines Podcast im Bikini Berlin

Der Name anderssein war schnell gefunden. In der ersten Staffel habe ich erst mal nur mit Menschen aus der BIPoC-Community gesprochen. Erst seit der 2. Staffel kommen auch Menschen aus der LGBTQIA*-Community zu Wort. Spannend an den Gesprächen finde ich, dass man bei einigen nicht unbedingt gleich das Anderssein sieht. Uns eint aber die Erfahrung, nicht zur Norm zu gehören. Wir haben im Laufe des Lebens gelernt, das Anderssein nicht als Makel zu sehen, sondern es zu unserer Stärke zu machen. Der Weg dahin war aber schwer und schmerzhaft.

Teufel Blog: Lass uns teilhaben an deinem kreativen Prozess: Wie dürfen wir uns die Vorbereitung eines anderssein-Podcasts vorstellen – und wie stimmst du dich auf eine Sendung ein?

Immer gut vorbereitet

Minh-Khai: Eine gute Vorbereitung ist das A und O! Ich habe mich in den letzten 23 Jahren schon so oft über unvorbereitete Journalist*innen in Interviews geärgert. Eine gute Vorbereitung verstehe ich als Zeichen des Respekts gegenüber der Person, die/der sich bereit erklärt, uns an ihrer/seiner Geschichte teilhaben zu lassen. Ich eröffne meine Gespräche immer mit einem Zitat meines Gastes/meiner Gästin. Nach dem perfekten Zitat suche ich so lange, bis ich es gefunden habe. Das erfordert sehr viel Arbeit, macht aber auch sehr viel Spaß.

Berlin: Heimat und Liebe

Teufel Blog: Seit 2000 lebst du in Berlin und schreibst auf deiner Website, die Stadt sei deine „Heimat und Liebe“. In den vier kommenden Extra-Folgen deines Podcasts dürfen wir uns auf gehaltvolle Gespräche mit dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, der Modeschöpferin Leya Piedayesh, dem Paralympic-Athleten und Markenbotschafter von Lautsprecher Teufel, Ali Lacin, sowie mit der Galeristin Anahita Sadighi freuen. Was hat dich dazu motiviert, gerade diese vier ans Mikrofon zu bitten?

Wahrzeichen

Minh-Khai: Da Teufel eine Berliner Marke ist, war es mir wichtig, repräsentative Gäst*innen zu finden, die etwas in dieser Stadt, die ich so sehr liebe, bewegen, kreieren. Alle vier Gäst*innen sind Wunschgäst*innen. Vor allem die Zusage von Klaus Wowereit hat mich sehr gefreut. Er steht als ehemaliger Bürgermeister für diese Stadt wie kein anderer. 

Minh-Khai Phan-Thi und Klaus Wowereit

Teufel Blog: Als ehemalige Moderatorin von VIVA TV ist dir die Musik-Affinität sicher. Welche Rolle spielt Musik in deinem Leben und wann drehst du den Volumenregler auf Maximum?  

Minh-Khai: Ich liebe Musik und ich tanze vor allem sehr gerne. Musik spielt ständig eine Rolle in meinem Leben. Aber nicht nur bei der Musik drehe ich die Regler lauter. Seit ein paar Jahren höre ich sehr viel Podcast.

Sprache kann die Welt verändern


Teufel Blog: Das Wording gewinnt innerhalb unserer Gesprächskultur einen immer wichtigeren Stellenwert. Doch je spezifischer wir Sprache verwenden, desto heikler wird es, allgemeine Aussagen zu treffen. Wie schätzt du diese Entwicklung zum einen generell und zum anderen im Bereich der Musik ein?

Minh-Khai: Das richtige Wording ist für mich das A und O — vor allem, seit ich den Podcast mache. Ich lerne mit jedem Menschen dazu. Sprache hat Macht, Sprache kann die Welt verändern, Sprache ist Kommunikation. Ich habe Verständnis für Menschen, die sagen: „Puh, ich tue mich echt schwer mit den ganzen Begriffen wie BiPoC, LGBTQIA und dem Gendern. Ich brauche etwas Zeit, um mit diesen neuartigen Begriffen umzugehen.“ Für diejenigen, die sich gegen das Gendern aussprechen, die weiterhin das N- oder Z-Wort benutzen, „weil man es schon immer benutzt hat“, für diese Menschen habe ich kein Verständnis.

Wir werden den Wandel der Sprache nicht aufhalten können, denn die Welt dreht sich jeden Tag und bringt damit stets ein kleines Stückchen Veränderung mit sich. Im Übrigen gibt es einen klaren Beweis für den Wandel der Sprache: Wir sprechen ja auch nicht mehr so, wie es unsere Eltern und Großeltern getan haben.

Die Frage nach den Wurzeln

Teufel Blog: Mit deinem Sohn auf dem Arm und dem Berliner Fernsehturm im Hintergrund, warst du 2006 in der emotiven TV-Motivationskampagne “Du bist Deutschland” als Werbegesicht zu sehen. 2022 sprichst du in deinem Podcast mit dem Kabarettisten und Musikproduzenten Dave Davis über deutsche Besonderheiten. Als wie stark oder schwach identitätsstiftend empfindest du Deutschland heute in Bezug auf Anderssein?  

Minh-Khai: Ich stelle leider fest, dass wir nicht wirklich viel weiter sind. 1994 habe ich mal in einem Interview gesagt, dass mein größter Wunsch ist, dass ich im 21. Jahrhundert nicht mehr gefragt werde, woher ich komme, denn diese Frage schließt aus, dass ich von hier komme. Ich bin aber in Deutschland geboren. Jeder 4. hat mittlerweile einen Migrationshintergrund. Trotzdem wird uns Migra-Kids immer noch diese Frage gestellt: „Woher kommst du?“ Oder noch schlimmer: „ Woher kommst du wirklich?“

Die richtigere Frage wäre für mich, „Wo sind deine Wurzeln?“ Oder „Woher kommen deine Eltern?“ Wir reden so viel über Integration, die aber leider oft eben nicht stattfindet — nicht stattfinden kann. Zugehörigkeit ist wichtig. Zuhören im Übrigen auch. Wenn ich meinen Wunsch nach der richtigen Formulierung nenne, fühlen sich viele Weiße und Biodeutsche auf den Schlips getreten. „Ich meine das doch nicht böse! Das ist doch nur Neugierde!“ Aber hilft es Betroffenen zu sagen: „Jetzt sei doch nicht so betroffen, dann bist du es nicht mehr“? Oder wäre nicht der hilfreichere Ansatz, mal kurz darüber nachzudenken, zu lernen und umzudenken?

Teufel Blog: In der erfolgreichen achtteiligen ZDF-Serie DOPPELHAUSHÄLFTE spielst du neben Milan Peschel, Benito Bause und Maryam Zaree die Hauptrolle und stellst dabei dein komödiantisches Talent unter Beweis. Was zeichnet für dich eine gelungene Comedy aus?

Anahita Sadighi & Minh-Khai haben Spaß

Minh-Khai: Es fängt immer mit einem guten Drehbuch an. Die Drehbücher der DOPPELHAUSHÄLFTE waren das Beste, was ich seit langem gelesen habe. Den Machern der Serie, Dennis Schanz und Christoph Mushaija Rath, ist was ganz Großes gelungen und ich bin sehr stolz, ein Teil davon zu sein.

Divers: Wo Vielfalt draufsteht, ist nicht immer Vielfalt drin

Teufel Blog: Wir bei Lautsprecher Teufel leben die Vielfalt, haben die Charta der Vielfalt unterzeichnet und finden andersein große Klasse. Du selbst setzt dich als Botschafterin für die entwicklungspolitische Organisation ONE und die WELTHUNGERHILFE ein. Zudem unterstützt du den Verein JUNGE HELDEN und die DKMS. Seit 2013 bist du darüber hinaus noch Mitglied im Kuratorium der Hertha BSC Stiftung. Welches Engagement pro Vielfalt wünschst du dir von den Playern der deutschen Unternehmenslandschaft?  

Minh-Khai: In erster Linie wünsche ich mir von der Unternehmerlandschaft wirklich Vielfalt zu kultivieren und zu leben. Ich habe oft leider das Gefühl, dass Vielfalt draufsteht, weil es gerade in und schick ist, aber Diversität nicht wirklich umgesetzt wird. Ich nehme meine Branche da nicht aus. Die deutsche Fernsehlandschaft ist weder vor noch hinter der Kamera divers genug. In den entscheidenen Positionen sitzen meist immer noch alte, weiße Männer. Es bedarf struktureller Veränderungen und das dauert. Aber ich bin optimistisch, dass ich es noch erleben werde.

4 Berliner Highlights: Im Podcast anderssein mit Minh-Khai

Schalte ein an allen vier Sonntagen und freue dich auf spannende Themen & Gespräche voller Vielfalt mit Minh-Khai & ihren Gäst*innen.

Folge 1: Klaus Wowereit

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Klaus Wowereit: Der ehemalige SPD-Politiker war von „2001 bis 2014 Regierender Bürgermeister von Berlin und von 2009 bis 2013 einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD„. Klaus Wowereit ist Träger zahlreicher Auszeichnungen wie dem „Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland“, dem „Großkreuz des portugiesischen Verdienstordens“ und erhielt 2021 die Ehrung als „Stadtältester“ von Berlin.

Klaus Wowereit kam als entspannter Gast

Weitere Gäste (Vorankündigung)

Leyla Piedayesh: Gründerin und Kreativchefin des internationalen Modelabels lala Berlin. Leyla Piedayeshs Wurzeln liegen im Iran. Mit ihrer Familie wanderte sie 1979 nach der Islamischen Revolution nach Deutschland aus. Ihr Unternehmen lala Berlin gilt als feste Größe im internationalen Fashion-Business; sie selbst gilt als eine der erfolgreichsten Designerinnen Berlins.

Leyla und Minh-Khai

Ali Lacin: Ali ist erfolgreicher Berliner Paralympic-Athlet und Markenbotschafter von Lautsprecher Teufel. Bei seiner ersten Teilnahme an den Paralympics 2021 in Tokio gewann er gleich die Bronzemedaille über 200 Meter im Sprint.

Auch Markenbotschafter Ali Lacin ist dabei

Anahita Sadighi: In ihren beiden Galerien präsentiert Anahita Sadighi Künstler*innen unterschiedlicher Generationen aus Deutschland und Asien. Für die Galerien organisiert Anahita regelmäßig Künstlergespräche und Diskussionsrunden mit dem Fokus auf interkulturellen und generationsübergreifenden Dialog. Darüber hinaus vergibt die Galerie durch ein Stipendiatenprogramm Künstler*innen die Möglichkeit, für einen Monat in Berlin zu arbeiten.

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Autor:in

Teufel Blog Redaktion

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