Die Mission des von der Bildungsstätte Anne Frank initiierten und von Hiphop.de und uns unterstützten Wettbewerbs #dissconnect war es, Rap auf seine Ursprünge zurückzuführen: Message transportieren, Lebensumstände skizzieren, Missstände kritisieren. Ganz nach den Vorbildern aus den Straßen New Yorks der 70er-Jahre. Junge Menschen aus drei verschiedenen Altersgruppen konnten ihren Träumen und ihrer Frustration freien Lauf in verbaler Textform lassen und ihre Tracks einreichen. Die Gewinner*innen wurden von einer mehrköpfigen Jury ausgewählt, darunter Eko Fresh und Hiphop.de Chefredakteur Clark Senger. In diesem Gastbeitrag unserer geschätzten Kollegen von Hiphop.de stellen wir Hintergründe und Gewinner des Wettbewerbs vor.
Rap macht Lebenswelten sichtbar
Prolltum und Sexismus? Oft mit Rap assoziiert, aber dafür war kein Platz beim Wettbewerb der Bildungsstätte Anne Frank. Und das sehen die Teilnehmer*innen im Alter von 10 bis 29 Jahren genau so. Sie hatten viel zu sagen zu Themen wie Rassismus, Klimawandel, Sexismus und Kapitalismus. Der Wettbewerb machte nicht zuletzt klar, dass wir hierzulande eine Menge junger, reflektierter und an ihrer Umwelt interessierter Leute haben, die es wert sind, angehört zu werden. Alle eint der Wunsch nach einem friedlichen Miteinander; der Wunsch nach einer Welt, in der alle Menschen als gleichermaßen wertvoll angesehen und entsprechend auch behandelt werden. Fairness, offene und konstruktive Kommunikation, Chancengleichheit sowie ein gewaltfreies Miteinander haben hohe Priorität unter den Teilnehmenden.
Damit bestätigen sie auch das Credo der Bildungsstätte Anne Frank: Rap steht für mehr als prollige Karren und Texte unterhalb der Gürtellinie. Rap kann wie keine andere Kunstform Erfahrungen und Lebensumstände sichtbar machen. Aus Reimen und Wortspielen werden nicht nur schemenhafte Skizzen, sondern ganze Gemälde dessen, was junge Menschen bewegt. Raptexte sind mehr als ihr Ganzes: Während vieles explizit gesagt wird, steckt so viel mehr zwischen den Zeilen, das es wert ist, erforscht und reflektiert zu werden.
Die Gewinner*innen auf einen Blick
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Kategorie bis 14 Jahre
In der jüngsten Kategorie machten bis zu 14 Jahre alte Rap-Sprösslinge ihre ersten Steps in Richtung Tracks erstellen und öffentlich präsentieren. Trotz des jungen Alters waren die Themen nicht weniger deep. So setzte sich der zehnjährige Kian Pillich in seinem Track “NoRacism” gegen Rassismus und für ein friedliches Miteinander ein.
Julius Brener, Gewinner der Kategorie, schlägt einen ähnlichen Weg ein. Er beschreibt in “Auf dem Schulweg” die vielen Probleme, mit denen er sich tagtäglich konfrontiert sieht, darunter Obdachlosigkeit, Umweltverschmutzung und Ignoranz der Menschen.
Alexia Trompi und Frida Kiefner, zwei dreizehnjährige Mädchen aus Friedberg, sichern sich den zweiten Platz mit “Warum grenzt ihr sie aus?”. Mit Zeilen wie „Die Männer gucken ihr hinterher – und rufen ‘zeig noch mehr’“ packen auch sie nicht minder eindrucksvoll, aber dennoch mit einem unangenehmen Gefühl behaftet, ihre Zuhörerschaft. Die beiden Schülerinnen interessierten sich schon länger für Themen wie Ausgrenzung, Sexismus und Rassismus, aber auch für Rap. Letzten Endes habe sie ihre Klassenlehrerin dazu bewegt, gemeinsam zu texten und an diesem Wettbewerb teilzunehmen.
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Kategorie 15-19 Jahre
In der Kategorie der 15- bis 19-jährigen sichert sich das Frankfurter Trio um Ole Frost, Josephine Mischke und Long Pham den dritten Platz. Mit “Surreal” verleihen sie ihren Sorgen und ihrer Frustration eine Stimme. So appellieren sie einerseits an ihre Mitmenschen, Probleme wie den Klimawandel nicht zu ignorieren. Gleichzeitig fühlen sie sich von Politiker*innen nicht gehört.
Der Zweitplatzierte Samuel Kron (auch KRoNE genannt) spricht sich für eine klassenlose Gesellschaft aus und jede seiner Lines ist “ein verbaler Steinwurf gegen die Obrigkeit”. In seinem Track “Marx statt Orwell” stellt der Grevelsberger unter Beweis, dass er sich schon gründlich mit verschiedenen Philosophen auseinandergesetzt und seine eigene Lebensphilosophie gefunden hat.
50 Schekel, bürgerlich Ilja Scherb, fragte direkt seine Community, was er in seinen Part einbauen sollte und ist das Sprachrohr für sein Umfeld. Wie er selbst sagt: “Steh für andere ein, ich bin nicht eigensinnig – hebe keine Waffe außer meine Stimme”.
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Kategorie 20-29 Jahre
In der Kategorie für die 20- bis 29-jährigen gab es ebenfalls überzeugende Beiträge. Der 24-jährige Hanauer Abdulkerim Saglam (Pseudonym: AKSU) beschreibt autobiografisch seine Erfahrungen mit Polizeigewalt, Racial Profiling und Rassismus. Seine ersten Erfahrungen soll er mit 14 Jahren gemacht haben. Er sehe sich seitdem wie ein schwarzes Schaf. Auch sei er immer wieder Opfer von Rassismus, der nicht selten von Neonazis ausgehe. Er wünscht sich eine Welt, in welcher nicht Herkunft und Äußeres entscheiden.
Atakan Kayacik zeichnet ebenfalls ein autobiografisches Bild in “Adler namens Hoffnung”. Nachdem er als kleines Kind selbst Fluchterfahrungen gemacht habe, zeigt er sich nun völlig verständnislos gegenüber unserer Gesellschaft, die anderen Flüchtenden nicht helfen möchte. “Acht Milliarden Menschen und doch kein Noah, der ‘ne Arche baut”, rappt er und zeigt sich enttäuscht.
Nicht minder verständnislos gegenüber dem Verhalten der Mehrheitsgesellschaft zeigt sich die Gewinnerin Janina Jackson auf “I just ask you why”. Die Darmstädterin rappt in englischer Sprache und zeigt sich sichtlich frustriert, dass Rassismus immer noch nicht aus den Köpfen verschwunden sei und die eigene Hautfarbe immer noch darüber entscheide, welche Erfahrungen einen ein Leben lang begleiten werden. Sie ruft dazu auf, beisammen zu stehen und Liebe und Frieden übernehmen zu lassen.
About: Bildungsstätte Anne Frank
Die Bildungsstätte Anne Frank ist eine Bildungseinrichtung, die sowohl online als auch in ihren Einrichtungen in Frankfurt am Main und in Kassel Jugendliche und Erwachsene ansprechen und politisch weiterbilden möchte. Menschenrechte, demokratische Wertebildung und die Aufklärung über Formen der Diskriminierung gehören zur Agenda der Bildungsstätte. Neben allgemeinen Grundlagen klären die Expert*innen auch über aktuelle politische Geschehnisse und Diskurse auf.
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