Die Sängerin Océane Colom alias Suzane ist eine der profiliertesten Künstlerinnen der Electro-Szene Frankreichs. Ihre Songs handeln – wie sie es selbst beschreibt – von wahren Szene-Geschichten. Ihre Musik regt zum Tanzen an, ihre Texte zum Nachdenken. Sich selbst treu bleiben, seinen eigenen Weg gehen – zwei Überzeugungen, die Suzane und Teufel teilen. Im Interview stellen wir die charismatische Künstlerin näher vor.
Berlin, Quelle der Inspiration
Das folgende Interview entstand am Rande der Dreharbeiten zu unserer Kampagne „Follow your Sound“ und wurde von unserem französischen Blog-Team durchgeführt und ins Deutsche übersetzt.
Video mit Suzane zur Kampagne „Follow your sound“
Blog Team: Salut Suzane, willkommen in Berlin! Es ist eine Freude, dich hier zu haben. Wie fühlst du dich?
Suzane: Danke, ich bin froh, dass ich hier bin. Ich fühle mich lebendig, das ist also ziemlich gut. Vor allem, wenn man bedenkt, was wir gerade erlebt haben [Anmerkung: rückblickend auf die Pandemie]. Nicht mehr singen zu können, nicht mehr tanzen zu können … Ich habe zwar in meinem Wohnzimmer getanzt, aber es ist immer noch etwas anderes, als diese Momente mit einem Publikum zu teilen. Die Tatsache, wieder andere Dinge zu sehen und neue Orte zu entdecken, hat das Gefühl, am Leben zu sein – meiner Meinung nach – noch vervielfacht. Es ist schön, jeden Moment, den man erlebt, zu genießen, selbst die einfachsten.
Ich bin drei Tage lang durch Berlin gelaufen und hatte das Gefühl, ständig Musik zu hören
Blog Team: Wir befinden uns mit Berlin in einer Stadt, die für viele Künstler eine Quelle der Inspiration ist. Welchen Eindruck hat die Stadt bei dir hinterlassen?
Suzane: Ich bin nicht so sehr überrascht, dass Berlin eine Stadt ist, in der sich Künstler wohlfühlen, da ich finde, dass man sofort einen Wind der Freiheit spürt, sobald man einen Fuß in diese Stadt setzt. Ich finde, dass man das auch an den Menschen sieht, an ihrer Kleidung und an ihren Umgangsformen. Außerdem ist die Musik hier sehr präsent, in verschiedenen Stilen. Ich habe viele Straßenkünstler auf sehr gutem Niveau gesehen und fand das toll. Ich bin drei Tage lang durch Berlin gelaufen und hatte das Gefühl, ständig Musik zu hören. Als Musikerin fühlt sich das gut an, die Umgebung wird noch lebendiger.
Blog Team: Gab es Orte, die dir besonders gut gefallen haben?
Suzane: Mir hat es sehr gut gefallen, dass es mitten in der Stadt Natur gibt, das findet man nicht so oft in anderen Städten. In Paris gibt es Parks, aber meistens außerhalb der Stadt. Hier, mitten in der Stadt, sehe ich immer einen Baum. Hier gibt es Gebäude, Ziegelsteine, aber auch Grün, sodass sich die Umgebung gut mit der Natur vermischt. Ich finde es schön, sich in den Straßen zu verlieren und sich dann plötzlich in einem Gemeinschaftsgarten mit Tomaten wiederzufinden, die mitten in Berlin wachsen. In den Parks sieht man die Leute Frisbee spielen, Musik hören und sogar Hunde sind erlaubt. Ich habe den Eindruck, dass sich die Menschen relativ leicht mischen. Es ist schön, diese Stimmung zu sehen, vor allem angesichts dessen, was wir gerade erlebt haben. Die Menschen sollen zusammenleben und ich finde, dass man das hier ziemlich gut spürt.
Die Welt kann man nicht alleine ändern, sondern nur gemeinsam
Blog Team: Die letzten Monate [Anmerkung: während der Pandemie] waren nicht einfach, vor allem für Künstler. Wie hat diese Zeit deine kreative Arbeit beeinflusst?
Suzane: Die letzten Monate haben mir noch mehr Lust gemacht, zu schreiben, Lieder zu machen und Menschen zusammenzubringen. Ich selbst habe unter der Pandemie mehr unter dem Live-Aspekt gelitten, ich habe es sehr vermisst, auf der Bühne zu stehen. Ich konnte mit Künstlern wie Grand Corps Malade zusammenarbeiten, der ein toller Künstler ist. Zudem konnte ich ein Konzert im Mer de Glace geben. Gerade mit diesem Konzert wollte ich zeigen, dass wir uns mehr bewusst machen sollten, was um uns herum ist.
Blog Team: Für viele war es auch eine Zeit der Selbstreflexion. Was hast du für dich daraus mitgenommen?
Song L’appart vide (Leere Wohnung) Ein Lied über das Ende einer Liebesgeschichte.
Suzane: Das stimmt. Ich denke, dass Selbstreflexion ein sehr gutes Wort ist, um die Zeit zu beschreiben, die man erlebt hat. Ich habe mir viele Fragen gestellt, da ich von einem Tag auf den anderen in meinem Haus eingesperrt war. Aber es waren nicht unbedingt persönliche Fragen, sondern eher Fragen über die Welt, über das, was mich umgibt. Ist unsere Art zu leben wirklich angemessen für unser Jahrhundert? Manchmal habe ich das Gefühl, in einer Episode von Black Mirror zu leben, und ich denke, um aus dieser Situation herauszukommen, muss man sich die richtigen Fragen stellen. Zuerst stellt man sie sich selbst und dann wird es zu einer kollektiven Aufgabe, denn die Welt kann man nicht alleine ändern, sondern nur gemeinsam. Ich hoffe also, dass die Leute diese Zeit der Selbstreflexion genutzt haben, auch wenn es manchmal nicht einfach ist, in sich zu gehen, aber vielleicht kommt man ein wenig gestärkt daraus hervor.
Sound ist für mich Instinkt
Blog Team: ‚Follow your Sound‘, ist nicht nur der Titel unserer Kampagne, sondern auch Teufels Philosophie. Was bedeutet das für dich?
Suzane: Follow your sound, dieser Satz spricht mich sehr an, denn ich habe den Eindruck, dass es heute manchmal schwer ist, auf sich selbst zu hören, dieser kleinen Stimme, diesem kleinen Klang, der uns führt, zu folgen. Manchmal blenden wir diesen Aspekt aus. Selbst wenn wir genau wissen, was wir wollen, werden wir viele andere Wege gehen, so ist das Leben. Es gibt immer wieder neue Szenarien. Aber es gibt immer dieses „Folge deinem Instinkt“, eigentlich, wenn ich „Follow your sound“ höre, ist der Klang für mich Instinkt. Die Herausforderung für den Menschen heute ist es, seine eigene Musik zu finden, seinen eigenen Film zu machen und sich damit wohlzufühlen. Man muss jeden Tag versuchen, ein bisschen mehr man selbst zu sein.
Der Wunsch, Botschaften zu vermitteln ohne zu belehren
Blog Team: In deinem Album Toï Toï Toï sprichst du viele sehr wichtige Themen an, wie Homophobie, Mobbing oder auch den Klimawandel. Wie bereitest du dich auf dein neues Album vor und welche Themen wirst du behandeln?
Suzane: Ich hoffe, dass ich immer mit dem übereinstimme, was ich da draußen sehe. Wenn ich über Homophobie, Klimawandel, den Status der Frau oder Belästigung spreche, dann sind das Dinge, die ich in meinem Alltag sehe, die es gibt. Ich habe also das Gefühl, dass ich nur eine Feststellung mache, die Dinge beschreibe, und das werde ich auch weiterhin tun. Leider fühle ich mich angesichts der Themen, die mich umhauen, sehr hilflos. Dennoch kann ich mich heute glücklich schätzen, dass ich überhaupt Lieder schreibe. Ich weiß nicht, ob es eine Therapie oder ein Kampf ist, auf jeden Fall ist es eine Dringlichkeit, so viel zu schreiben wie beim ersten Album.
Heute weiß ich, dass die Leute meine Lieder hören und gerade das macht mir noch mehr Lust, Botschaften zu vermitteln, ohne jemals belehrend zu wirken. Es gibt Leute, die mir für den Song SLT danken, also ist es oft schwer, ein Dankeschön zu bekommen, weil ich diesen Song auch geschrieben habe, um mir selbst etwas Gutes zu tun [Anmerkung: in SLT geht es um Belästigung von Frauen]. Aber es ist verrückt zu sehen, dass es auch anderen Menschen guttut. Ich denke also, dass ich Musik schreiben werde, nicht unbedingt für mich, aber zumindest, damit ich mir sagen kann, dass ich anderen Menschen ein kleines bisschen Gutes tun kann.
Blog Team: Merci!